Bund und Erwählung Hans-Jürgen Hermisson

1. Einführung
Bund und Erwählung sind zwei wichtige Begriffe im AT. Bund bezeichnet den anthropologischen Aspekt der Frage nach der Gemeinschaft mit Gott, während Erwählung die spezielle Beziehung Israels und Jahwes zu den Völkern umschreibt. Beide theologische Begriffe sind relativ spät, erst durch die deuteronomische Reformbewegung, frühestens 8. Jhd, jedenfalls im 7. Jhd., aufgekommen.
2. Bund
2.1 berit
Nach Kutsch ist berit nicht ein Verhältnis, sondern ist die Bestimmung, Verpflichtung, die das Subjekt der berit übernimmt.
Vier Möglichkeiten einer berit:
* Selbstverpflichtung,
* Verpflichtung, die einem anderen auferlegt wird,
* Übernahmen wechselseitiger Verpflichtungen,
* Verpflichtung die ein Dritter für zwei Parteien festsetzt.
Die Diskussion um die richtige Übersetzung beinhaltet auch eine theologische Fragestellung. Im Kontext wird berit immer ein Verhältnis begründet oder erneuert. Somit ist es durchaus zutreffend wenn berit mit Bund übersetzt wird. Es werden damit zwei Wortfelder abgedeckt, die Eid und Verpflichtung sowie Liebe und Freundschaft umfassen.
2.2 Auswirkungen auf die Theologie
Mit einer Eingrenzung von berit auf Verpflichtung soll verhindert werden, daß das Verhältnis von Gott zu Mensch als Vertragsverhältnis auf Gegenseitigkeit verstanden wird und sich somit eine Einklagbarkeit gegeben ist. Aber gerade die Einklagbarkeit ist vorhanden, im Sinne von Sich-Berufen-Auf Jahwe.
2.3 Definition
Mit dem Bundesschluß wird in der Regel ein verpflichtendes Gemeinschaftsverhältnis begründet, in dem Jahwe der Gemeinschaftsgewährende ist. Israel ist kein gleichberechtigter Partner. Damit sind bestimmte Verhaltensregeln oder Verpflichtungen verbunden.
2.4
Der Schwerpunkt dieses theologischen Bundesmodells liegt im deuteronomisch/deuteronomistischen Werk also 7.-6.Jhd.
Bei Gen 15 Bundesschluß mit Abraham und Sinaiperikope Ex 243-8 und Ex 34 ist die Vokabel berit sekundärr
2.4.1 Bundesformel
"Ihr sollt mein Volk sein und ich will euer Gott sein." ist in der Zeit um das babylonische Exil anzusiedeln.
2.4.2 Bundesformular
sollte dazu dienen die Vorgeschichte der theologischen Bundesvorstellung zu erhellen. Parallelen in hetitischen Staatsverträgen, jedoch Vermittlung zwischen Hetitern und dem vorstaatlichen Israel nur schwer denkbar, das Fest der Bundesschlußfeier ist nirgends belegt und aus den literarischen Befund nicht erschließen.
2.5 Gen 15 Jahwes Bund mit Abraham
Das Alter des Textes bleibt offen, jedoch durchaus möglich es ins 7. Jhd. zu datieren. Die eigentliche Bundesschlußszene erscheint sehr altertümlich. Hier wird keine Allerwelts-
theologie vertreten, sondern höchst gewagte Gottesaussagen getroffen. Nur wenn eine zunehmende Vergeistigung des Gottesbildes als Kriterium für Entwicklung vorausgesetzt wird, kann der Text früh datiert werden.
Die Szene mit dem Durchschreiten Gottes durch das Opfer ist eine Theophanie, darin  erscheint Gott als der, der sich bei nicht Einhaltung der Bundeszusage selbst verflucht. Der Bundesschluß ist also ein Selbstverpflichtung Jahwes an Abraham mit dem Inhalt der Landzusage.
2.6 Bundestheologie in der deuteronomisch/deuteronomistischen Bewegung
Gründung des Bundes Jahwes mit Israels am Gottesberg (Sinai), dieser Bund hat Geltung in die Gegenwart. Dies gilt auch für den Dekalog, der zur eigentlichen Urkunde des Bundesschlußes wird. Es gibt also eine Zusammenhang von Bund und Geboten. Jahwe schützt, die sich ihm gegenüber loyal verhalten. Dieses Loyal-Verhalten spiegelt sich in der Selbstverständlichkeit wieder, in der die Gebote gehalten werden: Wo Jahwe Israel den Bund gewährt versteht sich die Loyalität Israels von selbst.
Vor einem Bruch des Bundes zu warnen, ist wesentliche Funktion der deuteronomischen Bundestheologie des 8.-7. Jhd. Ein Abfall wird offensichtlich in der Verletzung des 1. Ge-bots oder anderer Gebote, die die Gemeinschaft regeln.
2.7 Priesterschriftliche Bundestheologie
Weil Israel den Bund, der am Horeb/Sinai geschlossen wurde, gebrochen hat, deswegen muß Israel ins Exil, so das Fazit von Dtr/Dtn. Deshalb gibt es zwar einen Bund mit Noah und Abraham, aber keinen Sinaibund in P. Das Sinaigeschehen wird zum reinen Heilserweis Jahwes ohne Verpflichtung Israels. Es gibt das theologische Modell des Gottesbundes als Periodisierung der Heilsgeschichte und bezeichnen somit die Wendepunkte in der Geschichte.
2.7.1 Noahbund
Der Bund mit Noah hat reine Zusagezüge, denn P achtete darauf die Verpflichtungen, die aber nicht Bedingung für den Bestand des Bundes sind, mit in die Bundesszene hineinzunehmen. Es wird nie wieder eine Sintflut geben, deshalb darf der Bund keinesfalls durch den Menschen in Frage gestellt werden.
2.7.2 Abrahambund
Gleiches Modell: Die Ermahnung steht außerhalb des eigentlichen Bundesgeschehens. Das ist wiederum reine Zusage: Darin wird Land, eine reiche Nachkommenschaft und ein neues Gottesverhältnis verheißen. Auch dieser Bund kann nicht hinfällig werden. Einzelne mögen diesen Bund nicht halten, aber dann fallen eben auch nur diese aus dem Bund heraus.
2.8 Der neue Bund
Dazu gibt es eine schmale Textbasis. Nur Jer 3231-34 und Jer 3237-41 dazu gehört inhaltlich wenn auch ohne Erwähnung des Wortes "neu" Ez 3624-28. Der neue Bund zieht die Bilanz aus der Prophetengeschichte. Der Mensch brach den alten Bund, ja mußte ihn sogar brechen. Aber dem Inhalt nach ist der neue Bund der alte es gilt immer noch die Thora. Neu ist alleine die Art und Weise wie die Tora vermittelt wird, nicht mehr durchs Hören, sondern durch das unmittelbare aufs/ins Herz schreiben. D.h. daß der Mensch jetzt gar nicht anders kann als nach der Willensoffenbarung Gottes zu leben. Inhalt dieser berit ist aber das verpflichtende Gemeinschaftsverhältnis von Gott und Mensch.
3. Erwählung
Terminologie: bahar: wählen, auswählen auch von Gott ist Alltagssprache. Daneben jadac kennen und hibdil aussondern. Letztere beiden zeigen nicht von sich aus Erwählung an sondern nur im Kontext.
Die Grundvorstellung ist Gott wählt aus. Drei Topoi:
* Erwählung eines Königs,
* Erwählung eines Ortes und
* Erwählung Israels
3.1 Erwählung des Königs
Die göttliche Erwählung eines Königs gehört zu den üblichen Königspredikationen.
Älteste Belege sind 2Sam 1618 und 2Sam 621 sein die in die davidisch-salomonische Zeit zu datieren sind. Dieser Topos geht durch alle Schichten bis zum Chronisten.
Die Bedeutung ist klar: Bezeichnung der Würde und Bindung, an den der die Wahl traf. Es ist eine Tendenz nicht zum würdigsten, sondern von jüngsten und geringsten, der durch die Erwählung zum König wird zu beobachten. Dies wird vorallem im Dtr unterstrichen. Erwählung hier ist Auswahl zu einem Amt, einer Aufgabe.
3.2 Erwählung des Heiligtums
fast ausschließlich in Dtn/Dtr. Dtn 1211, 1423, 125.
Theologisch hochreflektiert ist die Formulierung des erwählten Heiligtums als Ort, "an dem Jahwe seinen Namen wohnen läßt". Die Erwählung des Heiligtums ist die Antwort auf die Frage nach der himmlischen und irdischen Wohnstätte Jahwes.
3.3 Erwählung Israels
Am wichtigsten und theologisch von größter Bedeutung ist die Erwählung Israels. Sie findet sich in zwei Textkomplexen wieder:
* Einleitungsrede des Deuteronomiums und
* Deuterojesaja
* darüber hinaus noch desperat verstreuten, in überwiegend spätere und in keinem Fall ältere    Belegen.
Die Erwählung Israels stellt die Frage nach dem Verhältnis Jahwes zu Israels und Jahwes zu den anderen Völkern. Verortung dort, wo Israel im Bewußtsein seiner Existenz unter Völkern sein besonders Verhältnis zu Jahwe, dem Gott aller Völker, durch einen besonderen Akt Jahwes in der Vergangenheit begründet sieht.
3.3.1 Vordeuteronomistische Erwählungstradition
Sie begegnet in Gen 121-3 bei normaler, d.h davidisch-salomonischer, Datierung. Hier kam also erstmalig die Frage nach dem Sonderstatus auf und wird mit der Urgeschichte als Menschheitsgeschichte und der Vätergeschichte als Israelgeschichte beantwortet. Wesentlich ist der Gedanke, daß die Fluchzeit der Urgeschichte, durch die Zusage an Abram eine Segenszeit wird und durch Abram/Abraham Israel zuteil wird. Jedes Volk hat je nach Verhältnis zu den Urvätern anteil am Segen. Hier sind die Kriterien für die Erwählung gegeben: Aussonderung des einen (für das eine Volk) aus der Völkerwelt, sein besonders Verhältnis zu Jahwe und in diesem Sonderverhältnis die Rolle gegenüber den Völkern.
In Gen 12 ist die Erwählung noch in der Person und in der Landverheißung festzumachen später fällt dann die Erwählung in Erwählung durch die Urväter und Erwählung durch Landnahme- und Exodustradition auseinander. Beide Begründung sind Anachronismen, da sich Israel in beiden nicht seiner Sonderrolle unter den Völkern bewußt war. Jedoch spiegeln sie so die gegenwärtigen Erfahrungen im Licht der anfänglichen Heilssetzungen Jahwes und im Bewußtsein vergangener Generationen wieder.
3.3.2 Das Deuteronomium
Andere geschichtliche Bedingungen, durch den Druck der Vasallherrn droht das Jahwevolk seinen Sonderstatus zu verlieren. in dem komplex der deuteronomischen Mahnprediger gehört die Erwählungaussage. Dtn 76 ist gar keine eigenständige Aussage, sondern Begründung daß sich Israel vom Synkretismus fernzuhalten habe. Die Erwählung im Dtr hängt immer mit dem ersten Gebot zusammen. Auffällig ist die Reflektion über den Grund der Erwählung, der in der Jahwes Liebe liegt. Das Dtr sieht die Erwählung beim Exodus, nicht bei den Urvätern.
Fazit: Das in den Anfangserfahrungen Israels begründete Verhältnis zu seinem Gott ist da neu zu durchdenken, wo Israels Gott als Gott aller Völker geglaubt wird und Israel sein Verhältnis zu Jahwe angesichts des größeren Horizonts verstehen lernen muß.
3.3.3 Deuterojesaja
Deuterojesaja sieht die Erwählung in den Urvätern. Wo ein Volk im Exil ist kann die Erwählung nicht im Exodus und in der Landgabe begründet werden, da das Land verloren ging. Es wird das Trösteramt wahrgenommen, weil gegen die Jahwe-hat-Israel-verworfen-These angegangen wird. Israel wurde von Jahwe in Saras Mutterleib erschaffen. Damit ist zum einen der Rückverweis auf die Urväter gemacht, zum anderen wird damit Israel las der Knecht Jahwes. Die Erwählung Israels dient der Heilsvergewisserung und der theologischen Umschreibung des Daseinszwecks Israels. Israels Erwählung hängt mit der Zukunftserwartung zusammen. Durch den neuen Exodus beweist Gott seine eschatologische Rettungstat an Israel, diese beliebt nicht auf Israel beschränkt, sondern gilt allen. Israels Rolle ist die des Vorreiters. Es soll die Rettung akzeptieren und mit Lobpreis beantworten.